Evidence - Komplizierte Narbenhernien- Reparation bei riesiger parastomaler Hernie mit offener, retromuskulärer Bionetz- Augmentation - general and visceral surgery
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Zusammenfassung der Literatur
Bauchdeckenverschluss bei komplizierten Narbenhernien
Narbenhernien, die mit einer Inzidenz von 2 – 15 %, in prospektiven Studien sogar mit über 18 % auftreten (10, 11, 17), gehören zu den großen Herausforderungen der Abdominalchirurgie: je ausgedehnter der Defekt, desto weniger finden sich Regeln, an denen sich der Operateur orientieren kann. Auch wenn keine standardisierten Leitlinien existieren, lassen sich aus den bisherigen Erfahrungen Therapieempfehlungen ableiten.Was sind „komplizierte“ Narbenhernien?
Ausgedehnte Narbenhernien bestehen meist jahrelang und tendieren infolge Retraktion und Atrophie der Bauchdeckenmuskulatur zu stetiger Größenzunahme. Meist sind sie durch die extraabdominelle Verlagerung von Organen irreponibel.Eine einheitliche Definition großer, komplizierter Narbenhernien wurde erst 2009 durch die European Hernia Society eingeführt. Die Größe definiert sich hierbei nicht nur durch die primäre augenscheinliche Bruchlücke, sondern umfasst auch weitere reparationsbedürftige Narbenbereiche bzw. weniger auffällige sekundäre Herniationen. Die Ausdehnung dieser komplexen Hernien soll mindestens 10 cm messen (7, 10). Zu den komplizierten Narbenhernien gehören:
Narbenhernie mit Bauchwanddefekt
- Riesenhernien mit Eventeration von Organen
- programmierte Bauchwandhernien (nach Laparostoma)
- fehlende Bauchwandanteile, ggf. auch fehlende Hautbedeckung
Narbenhernienrezidiv
- nach Direktnaht
- nach Netzimplantation
- nach Lappentransfer
Narbenhernie mit Infektgeschehen
- Netzinfektionen
- Fistelung
- Ulzeration/Perforation der Haut
- intraabdominelle Adhäsionen, Ileus
- Inkarzeration
- Perforation
Rezidivhernien
Rezidivhernien sind überwiegend, aber keinesfalls ausschließlich, technisch bedingt und nicht primär auf die Größe des Defekts zurückzuführen (14). Bei der Anwendung direkter Nahttechniken und der Fasziendoppelung nach Mayo ist mit einer Rezidivquote von rund 50 % zu rechnen (23). Autologe Verstärkungstechniken (Kutislappenplastik) und die Implantation resorbierbarer Netze führen in vielen Fällen ebenfalls nur zu einer temporären Stabilität der Bauchdecke (5).Bei der Verwendung alloplastischer Materialien sind die häufigsten Fehlerquellen: unzureichende Netzgröße, Netzwanderungen, mangelhafte Netzfixierung, zu große Spannung der implantierten Netze und ein Unterschätzen der tatsächlichen Herniengröße. Auch Netzinfektionen und Hämatome tragen zur Rezidivbildung bei (17). Generell problematisch sind Narbenhernien mit einer Bruchlücke von über 5 cm.
Auch patientenabhängige Risikofaktoren spielen eine Rolle: Alter > 45 Jahre, Anämie (Hb < 10 g %); COPD, Immunsuppression, Kollagenstoffwechselstörungen, Nikotinabusus und Adipositas (BMI > 25).
Ob auch materialtechnische Eigenschaften der Netze eine Rolle bei der Entwicklung von Rezidivhernien spielen, wird kontrovers diskutiert. Es existieren Sammelstudien, die keine signifikanten Unterschiede herausstellten, jedoch existieren klinische und tierexperimentelle Studien, die einen Zusammenhang zwischen materialbedingten Gewebsreaktionen und Rezidiven zeigten (1, 2, 13).
Wund- und Netzinfekt: Muss das Netz explantiert werden?
Wund- und Netzinfekte treten je nach verwendetem Netzmaterial mit einer Häufigkeit zwischen 0 und 20 % auf. Serome und oberflächliche Infekte sind meist auf Polypropylen (PP)-Netze zurückzuführen, gravierende Netzinfektionen sind bei PP-Netzen jedoch deutlich seltener als bei Polytetraflurethylen (PTFE)- und Polyester (PO)-Netzen (16, 23).Unter der Überlegung, dass ein infiziertes Netz zu einer perifokalen Gewebsreaktion führt und der bakteriell infizierte Biofilm die Penetration von Antibiotika einschränkt, ist es naheliegend, ein infiziertes Netz zu explantieren (4). Allerdings ist die Entfernung eines infizierten Netzes nicht prinzipiell erforderlich (14, 16).
Die Entscheidung – konservatives Management oder Explantation – hängt überwiegend von den verwendeten Materialien ab. Bei PP- und PO-Netzen kann der Versuch, das Netz zu erhalten, gewagt werden (systemische Antibiose, offene Drainage, lokale Antiseptika-Behandlung). Wurde jedoch ein PTFE-Netz implantiert, ist die Netzentfernung indiziert (1, 3, 22). Grund ist die unzureichende Porengröße von 10 Mikrometern, die die Penetration von Bakterien erlaubt, die Migration von Leukozyten, die einen Durchmesser von 75 Mikrometern haben, jedoch blockiert (18, 22).
Die bakterielle Besiedlung eines Netzes muss nicht zwangsläufig zu einer Infektion führen (13, 22). So entspricht das Infektrisiko für alloplastische Netze in kontaminierten Gebieten (z. B. bei akzidenteller Darmeröffnung) dem eines aseptischen Wundgebiets (3, 8).
Enterokutane Fistelbildung
Die Ausbildung enterokutaner Fisteln gehört mit zu den gravierendsten Komplikationen nach Netzimplantation und ist ursächlich auf den direkten Kontakt überwiegend nichtresorbierbarer Netze mit dem Darm zurückzuführen, was zu Adhäsionen und Arrosionen führt (14, 20).PP-Netze führen häufig zu Adhäsionen, Fisteln werden insbesondere bei der Verwendung von PO-Netzen beobachtet (1, 2). Die Fistelhäufigkeit beträgt bis zu 25 % bei nichtresorbierbaren Materialien, bei resorbierbaren rund 4 %. In rund 30 % der Fälle von Fistelbildungen ist eine Netzwanderung zu beobachten (22).
Risikofaktoren für die Ausbildung von Fisteln sind neben dem verwendeten Material auch vorangegangene Wundinfekte, bestehender Ileus und inkarzerierte Hernien sowie Rezidiveingriffe, wenn bei den Voroperationen bereits ein Netz implantiert worden war (13).
Bauchdeckenrekonstruktion
Die Versorgung ausgedehnter Bauchwandefekte richtet sich nach dem Hernientyp, den lokalen Gewebsverhältnissen und dem individuellen Patientenprofil. Die Reparation kann mit alloplastischem Material erfolgen oder mittels einer plastischen Rekonstruktion.Reparation mit alloplastischem Material
Alloplastisches Material kann als Bauchdeckenersatz (Bridging) und zur Bauchdeckenverstärkung (Augmentation) verwendet werden. Letzteres setzt allerdings die Möglichkeit eines sicheren direkten Verschlusses des Fasziendefekts voraus.Alloplastisches Material bedarf einerseits einer ausreichenden Weichteildeckung mit Kutis und Subkutis, andererseits einer sicheren Interposition von Gewebe zwischen Netz und Viszerum (Peritoneum, Bruchsackgewebe), um Adhäsionen und Fistelbildungen zu verhindern. Ist letzteres nicht möglich, können mehrschichtige Netze verwendet werden, deren „Unterseite“ eine antiadhäsive Beschichtung aufweisen.
Bleibt bei der Rekonstruktion ein Fasziendefekt bestehen und ist ein Bauchdeckenersatz erforderlich, ist die Verankerung des Netzes entscheidend. Die biomechanisch stabilste Reparation kann mit der Sublay-Technik erzielt werden, die daher als Standardverfahren in diesen Fällen gilt. Das möglichst schwergewichtige Netz sollte den Faszienrand um mindestens 5 cm überlappen und transmural fixiert werden (12). In potentiell kontaminierten Wunden sollten die Netze unter perioperativer Antibiose retromuskulär eingebracht werden (26).
Der Einsatz von Fremdmaterial bietet zwar eine gute Option zur Verstärkung der Bauchdecke, kann aber auch zu komplizierten postoperativen Verläufen führen und die postoperative Mortalität erhöhen (15).
Klinische Erfahrung in der Narbenhernienversorgung mit Bio-Meshs am Beispiel Tutomesh®
In einer Studie über 300 mit Tutomesh® versorgten Narbenhernien wurden 43 Patienten nachuntersucht, deren Operation mindestens 2 Jahre zurücklag. Die mittlere Herniengröße lag bei 9,7 cm, der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum bei 40 Monaten. Über 70 % der Patienten waren übergewichtig oder adipös und 30 % Raucher. Rund 60 % der Patienten fielen in die ASA-Kategorie 2 und 3, die übrigen in ASA 3. Die postoperative Seromrate betrug 7,9 %, Sensibilitätsstörungen im Bauchdeckenbereich gaben 5,9 % und chronische Schmerzen im Narbenbereich 2,3 % der nachuntersuchten Patienten an. Die Rezidivquote der Narbenhernien lag bei 9,3 %. Bei keinem der Patienten war es zu Netzinfektion, -migration oder -schrumpfung gekommen (24).Plastische Rekonstruktion
Bei ausgedehnten Bauchwanddefekten bietet sich alternativ zur Netzimplantation eine lokale Gewebstransposition an. Eine gute Option ist die Komponentenseparation, die erstmals in den 1990er Jahren durchgeführt wurde und mittlerweile in verschiedenen Modifikationen existiert. Bei korrekter Technik können mit diesem Verfahren umbilikale Defekte mit bis zu 16 cm Durchmesser verschlossen werden (20, 33). Kombinationen dieses Verfahrens mit einem Netzimplantat sind möglich und bieten eine zusätzliche Stabilisierung der Bauchdecke (25). Rezidivraten werden in der Literatur von 0 – 10 % angegeben (9, 19, 26).Sollte eine nicht ausreichende Weichteildeckung die Netzaugmentation nicht erlauben oder es sich um ein Rezidiv nach Komponentenseparation handeln, kommen autologe Gewebstransplantationen in Frage wie die myofasziale Lappenplastik. Nachteile sind Hebedefekte und der Verlust der Bauchdeckendynamik infolge Denervierung der Muskellappen.
Aktuell laufende Studien zu diesem Thema
Literatur zu diesem Thema
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